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Udo Schindler & Korhan Erel
leben|nebel 9 akustronische Intonationen
Udo Schindler – cornet, bass and contrabass clarinet, soprano saxophone
Korhan Erel – computer, controllers
Concert Review 81th salon für Klang+Kunst
Elektroniktüftler Korhan Erel stößt bei seinem Gastspiel im Kraillinger Salon
ins Niemandsland der atmosphärischen Sounds vor. Udo Schindler sekundiert an Saxophon und Bassklarinette
Krailling – Korhan Erel lebt zwischen zwei Welten: zwischen seiner Geburtsstadt Istanbul und seiner Wahlheimat Berlin. Vielleicht wählte er deshalb die Elektronik zu seinem musikalischen Ausdrucksmittel, um sich nicht für eine Tradition entscheiden zu müssen, an die jeder analoge Musiker irgendwie immer anknüpft. Niemandsland also, obgleich sich jeder Mensch beim Kreieren von Klängen doch stets an Bekanntem und Vertrautem orientiert. Das dürfte auch in Erels Musik nicht anders sein, auch wenn es jetzt müßig wäre, aus der so üppigen Ad-hoc-Improvisation im Duo mit Bläser Udo Schindler in dessen Kraillinger „Salon für Klang+Kunst“ einzelne Sounds herauszupicken, war die Rhetorik doch sehr dicht gewebt.
Als Mitbegründer der Istanbuler Improvisationsszene hat es der Klangtüftler gewiss gelernt, mutig ins Ungewisse vorzustoßen. Und das ist vor allem nötig, wenn Erel zu Steuerelementen greift, die man für gewöhnlich nur von den Computer-Bewegungsspielen her kennt. Sie dienen dazu, sportliche Bewegungen genauestens zu erfassen und auf dem Bildschirm entsprechend abzubilden. Als Musikinstrument bekamen bestimmte Aktionen mit den Steuerelementen in den Händen diverse Sounds hinterlegt. Je nach Bewegung, Position und Lage erklangen andere Sounds, konnten zu Motiven arrangiert oder in ihrer Charakteristik modelliert werden. Die Spielweise ist also der auf dem Theremin nicht unähnlich, wobei Erels Instrument mit weit reicheren Möglichkeiten ausgestattet war, von perkussiven Klängen über experimentell Geräuschhaftes bis hin zu satten Soundscapes.
Alles Spielmöglichkeiten, auf die sich Schindler mit Saxophon, Kornett und Bassklarinette gut einlassen konnte. Mit diversen Spieltechniken vermag er seinen Instrumenten die fremdartigsten Klänge zu entlocken. Zurückhaltend behalf aber auch er sich am Kornett mit elektronischen Mitteln, um scharf-dissonante Mehrstimmigkeit zu erzeugen. Dabei beherrscht er schon analog mit Luftstößen und Schnalzern die perkussiven Effekte, wenn er nicht gerade seine Instrumente als Schlagwerk nutzt, indem er sie mit metallenen Dämpfern bearbeitet.
Während sich hier in dem Duo die analogen Blasinstrumente mit ihrer Klangdynamik hervortaten, zeichneten Erels elektronische Klänge vor allem räumliche Dimensionen aus. Ob nah, fern, entrückt, jenseitig oder einfach nur hallig: All die Sounds hatten großes Potential für Atmosphäre, der Erel allerdings nie die Zeit zur Entfaltung und Konkretisierung gab. Die Ad-hoc-Improvisation ist eben primär nicht auf Bilderzählungen aus, ist kein Mittel zum Zweck, sondern ein gänzlich unabhängiges Ausdrucksmittel. Assoziatives blieb bei Erel daher immer nur abstrahiert angedeutet, aus dem Kontext genommen, um Anregungen für Schindler zu liefern, dessen analoges Spiel größere Flexibilität hat. Per Touchscreen auf einem Tablet oder auch direkt auf einer Tastatur geklopft, löste Erel impulsiv und bisweilen nervös unentwegt neue klangliche Elemente aus, baute damit Strukturen, verdichtete zu Höhepunkten, steigerte das Chaos oder rhythmisierte repetitiv, bis sich aus synkopieren Motiven kurze Grooves herausbildeten. Und auf die stieg Schindler gerne ein, was die Instrumente in diesen Momenten eng zusammenbrachte. Als zeichentrickfilmartiges Micky-Mousing, wie man den punktgenauen Vertonungsduktus im Fachjargon nennt, kam noch ein humoristisches Element hinzu. Diese naive Anmutung hatte besonderen Reiz. Ein fesselnder Abend bis in die metallisch dominierte Zugabe. REINHARD PALMER_ Süddeutsche Zeitung
Reviews
Udo Schindler & Korhan Erel (Krailling – Berlin)
KORHAN EREL, seit 2014 displaced-replaced Person in Berlin, spottet jeder Vorstellung, die man sich von Klein-Istanbuler Schnauzbartträgern macht. Aber Vorstellungen und Klischees zu entsprechen war noch nie das Ding dieses Ad-hoc-Bröselspuckers und -Fädenspinners bei seinem Reigen von Liz Allbee über David Rothenberg, Cymin Samawatie oder Sabine Vogel bis Eric Wong und Mia Zabelka. Am 28.7.2016 traf er beim Ars Musica in München 2/3 des Munich Rat Pack, SEBI TRAMONTANA mit seinem unerschöpflich dämpfermodifizierten Posaunenklang und UDO SCHINDLER mit einem wieder rein akustischen Blasinstrumentarium. Dabei entstand SoundEnergyTransformation (FMR Records, FMR VD471-1117), 10 bagatelles for electronic & winds. War „Hell Dunkel“ zuletzt ungarettifiziert, so liefert nun Friederike Mayröcker so poetische Zwischenüberschriften wie ‚Gekauert in das Zirpen‘, ‚Wird welken wie Gras‘, ‚Ob Flügel ob Vogel‘ etc. Als Einstieg gelang den dreien ein ‚Vehemenz-Traktat‘ mit perkussiven Schlägen, verstopft quäkendem Wahwahwahwah und Tieftönerei, die Erel silbrig überstreuselt. Sein samplingabstrakter Noise als das fragwürdigste der drei Fragezeichen wird schnell zur selbstverständlichsten Präsenz. Durch klangwandlerische Camouflage mit metalloider Tönung ebenso wie durch quecksilbrige Kontrapunktik zum blubbernd grotesken Jungle-Growling der Posaune und Schindlers phantastischem Plörren, Knören, Quieken, Schmatzen, Züllen. Tramontana neigt zu launiger Clownerie, Erel schleift Scheren und flippert perkussiv und verblüffend flexibel mit leichtmetallischem, kristallinem oder brodeligem Klingklang. Schindler nimmt mit dem Euphonium den Mund voll, spitzt die Lippen sopranistisch, die Posaune brabbelt entenhauserisch, denn Komik darf, ja muss sein, pierrot-poetische, falstaff-fette und harlekin-gescheckte. Erel fädelt sich dazu als Sonic-Fiction-Trickster, auffallend quick und synergetisch. Am nächsten Tag (29.7.2016) folgte gleich KORHAN ERELs nächster Streich, als Gast beim 66. Salon für Klang+Kunst in Krailling. Da realisierte er mit UDO SCHINDLER neun akustronische Intonationen, genannt leben | nebel (Creative Sources Recordings, CS 486). Die Titel – ‚Landschaft mit Kopf‘, ‚Algenrauschen‘, ‚Wilde Zitronen‘, Wechselbalg’… – wollen an Oskar Pastiors erinnern. Die Musik erinnert sich an die Zukunft. Schindler empfängt ihren Anflug statt mit Soprano und Euphonium nun mit Kornett und wieder tiefer und tiefster Klarinette. Erel verblüfft optisch als bebrillte Mittvierzigerin mit weichen Zügen und dem tantenhaften Charme einer Familienministerin und akustisch durch wieder midikontrollierte Granularsynthese und spektralprozessiertes Morphing. Wenn Schindler mit wie verstopftem Kornett stöhnt und dröhnt, schlürft und knört, fingert er dazu mit Ableton Live- & Max for Live-Software luftige Tönungen mit metalloidem Anhauch. Auf verträumtes oder in Bedrängnis geratendes Quäkertum antwortet er mit wie gepusteten Impulsen und scheinbar keyboardistischem Geunke. Seine Molekülketten changieren zwischen Welle und Teilchen, zwischen Knistern, quecksilbrigen Glitches, kristallinen oder drahtigen und hohlwannigen Lauten, zwischen langen Fäden und quicken Impulsen. Dazu gurgelt nun die Bassklarinette im Algenrausch oder röhrt und schnarrt beklemmt. Erel dongt wie mit Klangschale, er nesselt, nadelt, splittert, schauturnt unter Wasser. Schindler züllt an Zitronen, züngelt am Soprano untürkische Üüs, das eine lässt sich noch weniger versprachlichen als das andere. Im wechselbalgernem Lippen- und Fingerspiel mit alten und neuen Prothesen wird der Augenblick zur Zeitmauer, an der Archaik mit Sonic Fiction kollidiert. Nie brachial, immer taktil und zerbrechlich. [BA 97 rbd] Rigobert Dittmann
Schindler, Udo / Korhan Erel : leben | nebel
(Creative Sources)
Live at the 66th SALON fur Klang+Kunst in Krailling, Munich, Germany finds festival leader Udo Schindler on cornet, bass, contrabass clarinet, soprano saxophone in a duo with Berlin-based Istanbul-born computer musician Korhan Erel, who designs his own unique instruments with unusual controllers, performing 9 singular dialogs of ethereal and unorthodox sound.
Squidco (USA)