Plattencover Udo Schindler Manon-Liu Winter Titel "form&material"

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Udo SCHINDLER & Manon-Liu WINTER

form & material

Creative Sources cs 254

Manon Liu Winter        piano

Udo Schindler             bass & contrabass clarinet, soprano saxophone

 

Behutsamkeit im Entstehungsprozess, Klangsensibilität, die Verquickung von Pianissimo & Mezzoforte, die Hörbarmachung von Mikrostrukturen, das Herausarbeiten von Feinteiligkeit, angewandte Partikelschichtungen prägen die spontane Inszenierung von Form und Material im intensiven Diskurs von Winter & Schindler. Augenblicklich verdeutlicht sich, welch gleichwellenlängiges Verständnis respektive Vertrauen um sich greift. Beide gehen mit Bestimmtheit den Möglichkeiten ihrer Instrumente auf den Grund und an die Materialerkundung. Resultierend daraus, stellt sich als ihr Betreiben das Zusammenfügen von atonalen Klangfarben und inderterminierten, geräuschimmanenten Sounds dar. Verortet in einem kontemplativen Bezugsverhältnis in Unterdruckintensität. Wobei Winter ab und zu mit sicherem Gespür für Spannungsgehalt auch in tonales Terrain wechselt, ein forderndes Pattern einstreut oder behände durch Tonarten sich tastet, um unorthodoxe harmonische/melodische Klangbänder in das Formbestreben einzuflechten. Schindler indessen hantiert konsequent mit erweiterten Techniken an seinen Blasinstrumenten. Variantenreich moduliert er Spalt- und Splitterklänge, Multiphonics und Flatterzungenklänge. Die beiden „KlangmikrobiologInnen“ begegnen sich mit vollster Offenheit. Dabei bleibt das Wechselspiel von These und Antithese auf so wunderbare Weise immer unvorhersehbar und phantasiesprühend. Die Kunst des musikalischen Dadaismus als Echtzeit-Destillat. Formbelebter Materialwahnsinn. (han)

Freistil 56_hannes schweiger

 

Artist: Udo Schindler & Manon-Liu Winter (@)
Title: form & material
Format: CD
Label:
Creative Sources (@)
Rated: 4,5 of 5

This is the second recording I introduce on this zine that the appreciated maximalist Portuguese label Creative Sources took from the vibrant house of Udo Schindler, after the one where his hospitable and brilliant owner met Austrian pianist Elisabeth Harnik, who performed on Udo’s Pleyel piano – already successfully tested by renowned musicians such as Hans Poppel, Masako Ohta, Katharina Weber, Izumi Ise and Alexa Montani – and it seems that it won’t be the last release that came from his SALON für Klang + Kunst for the aural pleasure of sonic diggers. Besides being a sort of intimate dandy place for experimental performers and musicians, Udo’s salon is becoming a proper forge of fine soundscapes and the one he made together with another inventive Austrian pianist Manon-Liu Winter, who improvised a performance on 30th November 2012 after she accepted the invitation by Udo to join his salon after he got positively impressed by her performance with Franz Hautzinger at Kaleidophon Festival in 2009, is really amazing for the impressive versatility as well as for the bizarre techniques she tests in order to widen the performative and sonic possibilities of piano, which is evident since the opening track where the faintly feverish cadence of the first seconds suddenly turns into almost menacing smothered rumbles before sliding into a tricky delicate phrasing on the following track, which gradually twist along itself by getting a proper tonal tangle where Udo seems to do a series of ribbond by means of his soprano saxophone. The whole release is a carousel of musical suggestions, ranging from abstract meditations such as the narcotic fifth track to strange declensions of chamber music („liudo 7“, „liudo 4“) and deviously eruptive moments such as the above mentioned second track till the wonderful final „liudo“ where the seemingly exhausted performers manage to set a really breathtaking piece up.

 

CHAIN D.L.K. – 18.01.2015

 

Udo Schindlers Duos

Udo Schindler lebt und arbeitet im Münchner Umland. Am Tag als Architekt, des Nachts als Musiker? Nein, ganz so klar lassen sich seine beiden Tätigkeiten sicher nicht voneinander trennen. Das eine bereichert (fast zwangsläufig) das andere. Und umgekehrt. Arthur Schopenhauer wird in den abgedruckten Liner Notes der CD „Sounding Dialectis“ mit den Worten zitiert: „Architektur ist gefrorene Musik“. Zugleich ist ebene Schindler auch eine Art Klangarchitekt, der im doppelten Sinn Klangräume schafft und diese musikalisch zusammenbringt. Musik aus dem Augenblick – für die Ewigkeit. Ein Baumeister der Töne sozusagen, wobei er sich als Saxophonist, Klarinettist, Kornettbläser und vor allem als Duopartner präsentiert.

Duoarbeit bedeutet für Schindler die spontane künstlerische Kommunikation im kleinsten gruppendynamischen Sektor. Das Unvorhergesehene ist bei ihm in der Regel, das Klavier jenes Instrument, das in der Gunst der Auseinandersetzung weit vorne steht. Auf den vorliegenden Alben arbeitet er mit der Schweizerin Katharina Weber (Spielzeit.Atemzeit.Horizontzeit“ Unit UTR 4484) sowie den beiden aus Österreich stammenden Pianistinnen Elisabeth Harnik („Empty Pingeonhole“ Creative Sources CS 247 CD) und Manon-Liu Winter („Form & Material“ Creative Sources CD 254 CD) zusammen. Hier ist es zu aller erst einmal der Unterschied der erzeugten Klänge, der gefangen nimmt. Die geblasene, Luft zirkulierende Linie auf der einen Seite und der geschlagene, eher Takt gebende Ton auf der anderen. Das Reagieren auf ein individualisiertes klangliches Geschehen jenseits einer Partitur birgt vor allem eines: Ein Gefühl für und ein Zulassen von Freiheit. Martin Pfleiderer nannte die freie Improvisation einmal „spontanes Handeln unter riskanten Umständen“. Ob nun im vorliegenden Fall der Spiel- und zugleich Aufnahmeort „riskant“ ist, bleibt zu bezweifeln. Sämtliche Aufnahmen sind „live“ in Schindlers Haus in Krailling bei München entstanden.

Insofern ein Heimspiel des Holzbläsers. Mit riskant sind dann doch eher die Persönlichkeiten der „Mitspieler“ gemeint, die sich vorsichtig abtasten, sich klanglich hinterfragen, vielleicht auch für eine kurze Zeit übereinstimmende Wege gehen. Obwohl das letztendlich nicht das Ziel ihres Tuns ist.

Vielleicht eher das Ausblenden jeglicher rationaler Kontrollinstanzen.

Jazzpodium 4/2016 (Jörg Konrad)